… als Sinnbild für Energie und Glück
Im Tendokan, dem Stammsitz des Tendoryu Aikido in Tokio, fiel mir schon beim letzten Besuch eine sehr schöne Kalligraphie auf - ein Drache, der sich in den typischen bogenförmigen Linien fortzubewegen scheint. Für mich wurde er ein Sinnbild für die besondere Energie an diesem Ort. Auch auf Izu, wo der große dreitägige Jubiläums-Lehrgang mit 230 Teilnehmern stattfand, war der Drache im übertragenen Sinne mit dabei. Kein Wunder, Shimizu Kenji, der Begründer des Tendoryu Aikido, leitete das Seminar, unterstützt von seinem Sohn Shimizu Kenta und Nagai Kotaro. Er vermittelte uns nicht nur Inhalte, sondern auch viel über die Historie des Aikido. Dabei erfuhren wir einiges über seine Jahre als Uchideshi bei O Sensei, über die Gründung seiner eigenen Schule und die Anfänge in Deutschland. „Was ich dort vor 40 Jahren vorfand, hatte nichts mit Aikido, so wie ich es von O Sensei gelernt hatte, zu tun, geschweige denn mit Budo“, und er schilderte anschaulich wie Peter Haase ihn nächtelang bearbeitete, um dem Tendoryu Aikido in Deutschland noch eine Chance zu geben.
Im Osten ist der Drache ein Glückssymbol. Shimizu Sensei kam wieder. Ein Glück für alle, die sich von der Energie des Drachen ansteckend ließen und vor allem für diejenigen, welche nun im großen Dojo des Kannon Onsen miteinander Aikido trainierten.
Obwohl die Teilnehmer aus Europa und anderen Teilen der Welt in der Überzahl waren, bemühte ich mich mit so vielen Japanern wie möglich zu trainieren. Denn sie befinden sich ja direkt und ständig an der Quelle des Tendoryu und davon wollte ich ganz viel mitnehmen. Tatsächlich hatte ich dabei einige in Erinnerung bleibenden Erlebnisse.
Es bestätigte sich wieder, dass Körpergröße und -statur nicht entscheidend sind. Bei Tai no henka mit einer sehr kleinen und noch zierlicheren Japanerin, wurde ich von ihrer explosionsartigen Bewegung in selten erlebter Weise aufgenommen.
Des öfteren kam ich an meine Grenzen, aufgrund der extrem hohen Luftfeuchtigkeit, aber auch, weil der Energie-Level konstant hoch lag. Da war ständige Präsenz verlangt, was dann aber belohnt wurde mit einer besonderen Intensität des Trainings. Einmal sorgte das sogar bei einem meiner japanischen Trainingspartner für Überraschung. Er brachte zum Ausdruck, dass das Training ihm ebenfalls einiges abverlangte. Wir verneigten uns mehrmals voreinander und gaben mit dieser Geste unsere gegenseitige Wertschätzung kund. Beim Aikido braucht es eben nicht dieselbe Sprache, um sich zu verständigen. Ich war aber froh, dass auch japanische Aikidoka keine übermenschlichen Wesen mit unendlicher Kondition sind.
Beim freien Training am Sonntagnachmittag, klinkte sich Wakasensei ein, als ich mit meiner Übungspartnerin den Sankyo versuchte. Was dabei entstand als er mich durch die Technik führte war zugleich stark, aber auch äußerst sanft - kontrolliert, aber nie kam das Gefühl auf, dass er mich dominieren will, vielmehr, dass ich gut aufgehoben bin. Da wurde wieder klar, wo es hingehen soll und wie sich Aikido auf höchstem Niveau anfühlt.
Gekrönt wurde der Japanaufenthalt am Montagabend durch eine sehr festliche Jubiläumsfeier im wunderschönen Happo-en Garten mit seinen 500 Jahre alten Bonsaibäumen. Shimizu Sensei erschien im traditionellen Festgewand und feierte gemeinsam mit den zahlreichen Gästen aus Nah und Fern bei köstlichem Essen, musikalischer Untermalung durch Muschelbläser und einigen Festtagsansprachen, das 50-jährige Bestehen seiner eigenen Aikido-Stilrichtung.
Danach ging es für mich recht bald wieder zurück nach München. Ein kleines persönliches Highlight, das nichts mit Aikido zu tun hatte, war der Besuch der Ausstellung von Shiota Chiharu, einer in Berlin lebenden japanischen Künstlerin, die im Mori Art Museum in ihrer bisher größten Ausstellung ihre Kunst zeigte. Ebenfalls eine glückliche Fügung…
Gudrun