Aikido und Frauen
Acht Frauen, die alle bei uns in Großhadern Aikido trainieren, haben verschiedene Fragen zu Aikido und insbesondere zum Thema Aikido und Frauen beantwortet.
Diese Frauen sind unterschiedlich alt (von 18 bis über 50), machen Aikido erst seit kurzem oder auch schon viele Jahre lang und fingen mit unterschiedlichem Alter mit dem Aikidotraining an (teilweise als Kind, als junge Erwachsene, in den Dreißigern oder über 50). Sie haben somit sehr unterschiedliche Voraussetzungen, Hintergründe und Motivationen Aikido zu praktizieren.
Herzlichen Dank für eure Offenheit und die teilweise sehr ausführlichen Antworten zum Thema!
1. Was begeistert dich an Aikido? Was hat dich motiviert mit Aikido anzufangen und dabeizubleiben?
„Ich fand die Bewegungen schön und die ruhige konzentrierte Atmosphäre hat mich angezogen.“
„Ausschlaggebend war das Training beim Sommerfest, bei dem Eltern mitmachen durften, d.h.die eigene positive Erfahrung, der Spaß, dass es auch für mich sinnvoll sein könnte.“
„Es ist nie langweilig. Ich mache etwas für mich als ganzer Mensch.“
„Motiviert hat mich Aikido zu lernen, weil man es (mit etwas Glück) bis ins hohe Alter machen kann.“
„Es gefällt mir, dass die Technik wichtig ist und nicht so sehr die Körperkraft.“
„Die runden gleichmäßigen Bewegungen finde ich toll und erstrebenswert. Sie stehen im Kontrast zu dem eher hektischen Leben.“
„ Es passiert immer wieder, auch nach vielen Jahren und unzähligen Wiederholungen unserer Aikido - Bewegungen, dass ich eine Technik plötzlich mit komplett neuen Augen sehe.
Begeistert hat mich am Anfang die große Ästhetik der Bewegungen. Ich wollte es einfach unbedingt lernen, weil ich ahnte, dass hinter der Schönheit und der Leichtigkeit noch viel mehr steckt. Das hat sich auch bestätigt!“
"Spannend bleibt Aikido, weil man sich nicht allein mit sich selbst, sondern vor allem mit seinem Partner beschäftigen muss, mit vielen sehr unterschiedlichen Partnern. Die Wahrnehmung für sich und für den Partner wird aber im Laufe der Zeit immer feiner. "
"Bereichernd finde ich, dass wir auf Lehrgängen andere Lehrer kennenlernen und Aikidokas aus ganz Deutschland und Europa. Was uns alle verbindet ist Tendoryu Aikido.
Höhepunkt des Jahres ist dann das Seminar auf dem Herzogenhorn mit Shimizu Sensei, wo wir die Gelegenheit haben eine Woche lang unter seinen Augen sehr intensiv Aikido zu trainieren und das in schönster Umgebung. Mein persönlicher Höhepunkt war unser Besuch im Tendokan in Tokio im letzten Herbst gemeinsam mit fünf anderen Großhadernern. Da waren wir dann wirklich an der Quelle! Und wer einmal die Atmosphäre dort erlebt hat, mit Energie aufgeladen und trotzdem ruhig und mit welch hoher Aufmerksamkeit dort trainiert wird, weiß, wo der Weg (DO) hingehen soll.“
„Aikido, das war doch das mit dem Kraft aufnehmen ohne Gegenkraft. Klang gut. Warum ich dabeigeblieben bin: Für mich trat sehr schnell der sportliche Aspekt in den Hintergrund, ich habe auf der Matte immer meine „persönlichen Schwächen“ gesehen und sehe die leider immer noch. Durch das Training arbeite ich an denen auf eine ganz andere Art und Weise. Mehr durch tun und den Kopf außen vor lassen.“
„Ich war auf der Suche nach einer Sportart, die in Richtung Selbstverteidigung geht, allerdings nicht so einseitig kampfbetont ist. Dabei bin ich auf Aikido gestoßen und die runden fließenden Bewegungen, die kraftvoll, jedoch nicht so aggressiv wirken, haben mich fasziniert.
Auch finde ich die Ruhe und Konzentration, mit der man die Übungen macht, super, um nach einem anstrengenden Tag einen klaren Kopf zu bekommen. Gleichzeitig ist Aikido ein tolles Training für den ganzen Körper und unheimlich vielseitig.“
„Aikido bedeutet für mich: eine Zeit nur für mich selbst, aus dem Alltag auszusteigen und mich nur auf Aikido zu konzentrieren; neuen Menschen zu begegnen, die gleiche Interessen haben und auch vielleicht neue Freunde zu finden.“
2. Welche Herausforderungen gibt es für dich als Frau im Aikido zu meistern? Glaubst du Aikido ist für Frauen anders als für Männer?
Gibt es Vor-und/oder Nachteile als Frau?
„Sich durchzusetzen und auch als kleine und junge Frau von JEDEM als vollwertiges Mitglied respektvoll wahrgenommen und angenommen zu werden.“
„Mir gelingt es ganz gut zu spüren in welche Richtung die Kraft des Uke mich bringen möchte. Ich habe den Eindruck, dass auch die weichen Bewegungen und das Führen mit relativ wenig Körperkraft vielen Frauen gut liegt.“
„Es ist manchmal schwierig für mich einen energievollen Angriff zu geben und es ist schwer, ein deutlich breiteres Handgelenk richtig zu umfassen und festzuhalten.“
„Die Herausforderung sehe ich bisher eher in meinem Alter, bei Beginn 52.“
"Aikido ist für jeden geeignet. Wer regelmäßig übt, kommt auch weiter. Dieser Satz war ganz wichtig für mich, um überhaupt anzufangen, ohne Ehrgeiz."
"Wenn Techniken gezeigt werden, denke ich manchmal, „das lerne ich nie!“ Dieses bewertende Denken schalte ich dann ab und bleibe beim Beobachten und Tun. Das kann ja auch eine gute Übung sein.“
„Die größte Herausforderung ist das Verlassen auf sich und die innere Stärke und nicht die körperliche Stärke. Es passiert mir manchmal immer noch, dass vor mir ein großer Kerl steht und ich mir denke, auweia, ob das klappt. Schaffe ich diesen Punkt außen vor zu lassen, nicht auf das Äußere zu schauen, sondern mich auf die Technik und die Mitte zu verlassen, dann geht schon viel mehr. Und auch große Kerle mit dicken Armen beginnen zu fliegen...“
„ Ich denke schon, dass Aikido für Frauen anders ist als für Männer. Männer verlassen sich ja schon auf ihre Kraft. Frauen an sich nicht. Somit haben wir den Vorteil gleich mit der Mitte zu arbeiten, wohingegen Männer da erst drauf kommen müssen, dass sich dahinter ganz andere Kräfte verbergen. Und welcher Mann schon mal mit Steffi trainiert hat, weiß, da hat man doch recht wenig Chance mit Krafteinsatz...“
„Natürlich haben Frauen, wenn es um Kraft geht, immer einen Nachteil. Doch bei Aikido ist es egal, wie groß, schwer oder alt man ist, mit der richtigen Technik kann man jeden Angreifer kontrollieren und sich verteidigen. Diese Philosophie und die Tatsache, dass man sich nicht in Wettkämpfen messen muss, haben mich ziemlich beeindruckt. Die eigene Selbstsicherheit wird gestärkt, weil man weiß, dass man sich auch als „schwache“ Frau effizient verteidigen könnte (auch wenn die Techniken nicht als Straßenselbstverteidigung missverstanden werden dürfen). Es ist vielmehr eine innere Haltung, die man entwickelt und natürlich auch nach außen ausstrahlt.“
„Im Laufe der Zeit macht man beim Aikidotraining unterschiedliche Entwicklungsstufen durch. Da passiert es auch, dass Trainingspartner plötzlich versuchen mit Körperkraft zu arbeiten, die sie offensichtlich gar nicht besitzen( egal ob Mann oder Frau). Vielleicht ist es deshalb sogar ein Vorteil nicht so kräftig zu sein, weil man dann früher anfängt an seiner Kikraft zu arbeiten. Sehr kräftige Menschen kompensieren auch viele Schwächen in ihrer Technik mit dieser Körperkraft, dann wird der Weg (Do) halt noch länger bis man die Leichtigkeit des Aikido erfahren darf. „
3. Hast du dich durch Aikido verändert? Helfen dir Aikido und Eigenschaften, die du durch Aikido erworben oder weiterentwickelt hast im Berufsleben und im Alltag weiter?
„Ich habe mehr Muskeln (im Rücken und überall ein bisschen) und mehr Kraft im Alltag. Die Füße sind etwas beweglicher geworden, der Schultergürtel hängt irgendwie besser ober auf, so dass die Arme freier geworden sind.
"Mehr Kraft ist sehr nützlich, weil ich als Alleinerziehende viel zu schleppen habe.“
„Ich habe mich durch Aikido verändert, sowohl körperlich (mehr Kraft in den Armen und Rumpfstabilität), als auch meine innere Einstellung. Gerade weil ich recht jung ins Erwachsenentraining eingestiegen bin, war ich anfangs sehr vorsichtig und hatte Bedenken, andere anzugreifen. Aber weil bei allen Techniken das Miteinander und gegenseitiger Respekt im Vordergrund steht (und nicht der Wettkampfgedanke), entwickelt man schnell Vertrauen und Selbstsicherheit, die sich nicht nur auf die Matte beschränkt.“
„Zum einen gehe ich durchs Aikido von der Körperhaltung aufrechter durchs Leben und bin somit auch selbstbewusster. Zum anderen denke ich mir aber auch ganz oft wenn ich Probleme habe, dass das wie Aikido ist: Ruhig bleiben, den Angriff aufnehmen und in eine von mir bestimmte Richtung leiten... Ganz ohne Kraft.“
„Schon seit Jahren übe ich auf verbale Aggressionen im Alltag verständnisvoll und freundlich zu reagieren und trotzdem nicht klein bei zu geben, sondern meinen Standpunkt zu vertreten. Was mich am Aikido so fasziniert ist, dass es diese Lebensphilosophie in Bewegung umsetzt.“
„ Aikido hilft mir mein Selbstbewusstsein zu stärken.“
„Sobald ich merke, dass ich hektisch am rumwerkeln bin, was ja meist unproduktiv ist, stelle ich mir vor, wie ich absitze und ein paar Übungen mache. Schon werde ich ruhiger. In anderen Situationen bin ich auch entspannter, selbstbewusster, aber auch ehrlich selbstkritischer – ich kann mit Kritiken besser umgehen (denn auch das erleben wir ja auf der Matte: Jahrelanges Aikido heißt nicht, dass man alles kann)"
„Es hat lange Zeit gedauert bis ich ein Atemi (Schlag zur Abwehr eines Angriffs mit dem Ziel unseren Angreifer zu irritieren, seine Wahrnehmung zu schärfen ohne ihn zu zerstören) hinbekam, das meinen Angreifer auch einigermaßen beeindruckte."
"Ein Atemi ist ein sehr klares Signal an unser Gegenüber, das was mit Abgrenzung zu tun haben kann. „Bis hierhin und nicht weiter!“ Ich lernte mit der Zeit, dass ich meinem Trainingspartner diese Grenzen, die in der entsprechenden Technik verlangt werden, zumuten kann, weil er weiß wie er darauf angemessen reagieren kann, wenn er die nötige Aufmerksamkeit mitbringt.
Andrerseits gibt uns eine Tenkan- Bewegung (Drehung) die Möglichkeit uns mit unserm Partner zu verbinden und für eine gewisse Zeit seine Perspektive einzunehmen. Das geht dann in Richtung Einfühlungsvermögen und Konsens. Im übertragenem Sinn kann man die verschiedenen Prinzipien des Aikido in vielen Situationen des täglichen Lebens anwenden."
"Ich glaube, dass uns das körperliche Training hilft diese Prinzipien des Aikido zu verinnerlichen und irgendwann der jeweiligen Situation angepasst anzuwenden und Aikido damit auch ein Stück weit zu leben.“
Ein Rückblick auf unser erfolgreiches Frauen-Wochenend-Seminar findet Ihr hier.
Gedanken über Aikido: Fraueninitiative- Weltfrauentag- 50. Jubiläum.