Folge der Wellenbewegung
Aikido-Großmeister Shimizu Sensei beim TSV München-Großhadern
Er ist einer der letzten lebenden Aikido-Großmeister, der bei Morihei Ueshiba, Begründer dieser japanischen Kampfkunst, als persönliche Schüler (jap. Uchi-Dechi) gelernt hat. Die Rede ist von Shimizu Sensei, der zusammen mit seinem Nachfolger und Sohn Kenta Shimizu, zu Gast beim TSV München-Großhadern war. Rund 60 Trainierende drängten sich in einem Drittel der Sigi-Sterr-Budohalle, um ihr Aikido direkt vom Meister (jap. Sensei) verbessern zu lassen.
„Folgen Sie der Wellenbewegung“, rät Shimizu Sensei den Trainierenden, die bis aus Slowenien nach München angereist sind. Bei Aikido handelt es sich nicht um Surfen oder Wellenreiten, sondern um eine japanische Kampfkunst, die seit den 50er/60er Jahren auch in Deutschland Fuß gefasst hat. Seit über 40 Jahren besucht Shimizu Sensei Deutschland, um hier zu lehren. Beim TSV München-Großhadern wird schon seit über 50 Jahren Aikido praktiziert. Die Abteilung hat rund 150 Mitglieder – von Kindern/Jugendlichen bis hin zu Senioren. „Aikido kennt keinen Altersklassen und keinen Wettkampf“, betont Shimizu Sensei. Die zahlreichen Zuschauer sehen von der Tribüne Alt und Jung, Groß und Klein friedlich miteinander trainieren. Die Bewegungen sind fließend und harmonisch – nicht unähnlich der natürlichen Bewegung einer Welle. Ruhig und konzentriert ist die Stimmung – so wie in einem japanischen Dojo (jap. Übungshalle). Viele der Aikido-Techniken stammen aus dem Budo (jap. Kriegsweg) und wirken bei jedem Menschen unabhängig von dessen körperlicher Konstitution. Eben deshalb gebe es im Aikido keinen Wettkampf, damit sich niemand verletzt. Gesundheitliche Aspekte wie Beweglichkeit, Ausdauer und Reaktionsvermögen stehen im Aikido im Vordergrund.
Sich selber besiegen, bevor man andere besiegt
„Im Aikido muss man zuerst sich selber besiegen, um andere besiegen zu können“, so Shimizu Sensei. Die ersten Schritte sind anstrengend, denn es gilt zum Beispiel das Fallen (jap. Ukemi) zu lernen. Auf der Matte (jap. Tatami) rollen die Aikidoka hin und her. Mit der Fallschule können sich die Sportler dann schützen. Positiver Nebeneffekt: Im täglichen Leben kann einem das Fallen auch beim Ausrutschen auf Eis oder beim unsanften Abstieg vom Fahrrad helfen. Nach den ersten Schritten erkennen die Schüler immer mehr, dass Aikido auch eine geistige Komponente hat. „Aikido fördert Körper und Geist“, erklärt der japanische Groß-Meister. „Diesen Ansatz - Körper und Geist - kennen Sie ja auch im Westen.“ Gerade weil es eben keinen Wettkampf im Aikido gibt, geht es vor allem auch darum, ernsthaft zu trainieren. Die Gefahr beim Aikido ist es, mit großer Begeisterung anzufangen und dann schnell wieder aufzuhören. „Machen Sie weiter“, rät er den Teilnehmern, „es lohnt sich“. In seinem Dojo in Tokio habe er sogar einen 80-Jährigen, der nach wie vor mit Begeisterung bei der Sache sei. Daran könne man sich ein Beispiel nehmen.
Japanische Kultur und Philosophie
Wer sich mit Aikido auseinandersetzt, lernt nicht nur japanische Begriffe und deren Bedeutung, sondern setzt sich auch mit der japanischen Kultur und der dazugehörenden Philosophie auseinander. Der westliche Mensch spricht zum Beispiel von Ernsthaftigkeit, der Japaner sagt Anfängergeist (jap. Shoshin). Der Japaner vermittelt damit, dass man nicht nur im Training, sondern im ganzen Leben nicht in einen Automatismus verfallen, sondern immer wach und aufmerksam auf seine Umgebung reagieren solle. „Aikido bedeutet Leben“, ist für Shimizu Sensei der rote Faden. Leben sei Lernen; zuerst an sich selber und dann mit anderen. Wer sich auf den Weg begebe, werde viele wertvolle Erfahrungen machen. Er freue sich, dass sein Aikido durch seinen Nachfolger Kenta Shimizu weitergetragen werde. Kenta Shimizu ist Vorstand (jap. Dojocho) seines Dojos "Tendokan" in Tokio.
Bodo-Klaus Eidmann