Shimizu Sensei mit Wakasensei auf dem Herzogenhorn (copy: Bodo Eidmann)

Shimizu Sensei mit Wakasensei auf dem Herzogenhorn (copy: Bodo Eidmann)

Die internationalen Tendoryu Aikido Frauen gratulieren unserem Sensei Shimizu Kenji zum 50. Jubiläum seines Tendoryu Aikido und bedanken sich für die Entwicklung seiner Philosophie Körper und Geist ins Gleichgewicht zubringen.

Auf der Webseite https://tendoryuaikidointernationalwomenday.org/  teilen Aikido Frauen aus der ganzen Welt ihre Erfahrungen, Gedanken und Ideen anlässlich des 50. jährigen Bestehens des Tendokan.

Die Artikel sind alle in Englisch. Die Originalversion in Muttersprache findet ihr auf den Webseiten der einzelnen Dojos:  https://www.tendo-world-aikido.de/news/

Viel Freude beim Lesen und lasst euch inspirieren!

 
Julia mit Elina

Julia mit Elina

Julia: Aus der Sicht von Carla Gerber (geboren im Juli 2018), Tochter von Julia und Krzystzof

Ich bin so schön am Schlafen und plötzlich schaukelt es auf und ab. Aha, stelle ich fest, es ist wieder Sonntag Vormittag im Jahr 2018 und meine Mutter ist beim Aikido Training. Bis einen Monat bevor ich auf die Welt gekommen bin, hat sie Aikido trainiert. Alle waren sehr rücksichtsvoll und wir haben immer schön zu dritt trainiert. Das Aikido Training hat uns beiden sehr gut getan, während ich in ihrem Bauch heranwuchs. Es hat meine Mutter mental und körperlich gestärkt, auch in der schwierigen Zeit der Schwangerschaft. Mir hat es einfach nur Spaß gemacht, weil ich es mag, wenn sich was rührt. Daher herzlichen Dank an alle Aikidokas, die mit uns gemeinsam trainiert haben, dass sie keine Vorbehalte hatten, auch wenn es für alle eine neue Situation war. Jetzt bin ich oft dabei, wenn meine Eltern Aikido machen. Meistens schlafe ich dann, weil mitmachen jetzt nicht mehr geht. Wenn ich groß genug bin, dann kann ich auch Aikidoka werden - wenn ich mag.

 
Gudrun im Westpark

Gudrun im Westpark

Gudrun: Schönheit ist der Glanz des Wahren

Wenn beim Aikido von Kampfkunst die Rede ist, wird in der Regel der fehlende Wettkampf genannt, um den Unterschied zum Kampfsport zu erklären. Entscheidend ist jedoch, dass im Aikido der Geist des Budo noch lebendig ist.

Im Tendoryu Aikido kommt dieser Geist in den kreisförmigen, ästhetischen Bewegungen zum Ausdruck, die mit Shimizu Senseis Aufforderung einhergehen, uns auf natürliche Weise zu bewegen. Jenseits von spektakulären und effekthascherischen Techniken basiert das Tendoryu Aikido also auf der uns bereits innewohnenden Natürlichkeit, die wir durch unser Training allmählich zur Entfaltung bringen - so wie ein Bildhauer, der mit seinem Meißel das schon im rohen Material steckende Kunstwerk Schicht für Schicht herausschält, um dessen innere Strahlkraft sichtbar werden zu lassen. Schönheit kommt sowohl in der Kunst als auch im Aikido von innen und erinnert uns daran, dass Schönheit immer auch etwas mit Erkenntnis zu tun hat.

„Schönheit ist der Glanz des Wahren“, so lautet eine sehr alte westliche Weisheit, die mich insofern berührt, als darin eine universelle Kraft angesprochen wird, die ich aus dem Aikido kenne. Unser Ki zu aktivieren, es zu stärken und fließen zu lassen, darin besteht das wesentliche Ziel unserer Übung. Könnte sich hinter dem „Glanz des Wahren“ dieses ominöse, unbeschreibliche Ki verbergen? Shimizu Sensei vergleicht es mit einem Juwel, der mithilfe unserer Übungspartner geschliffen wird. Am Anfang ist er unscheinbar und roh und erhält durch das beständige Üben und Schleifen erst seine Schönheit und seinen wahren Glanz.

Wakasensei Kenta Shimizu beschrieb kürzlich den Weg (Do) als eine Wanderung auf einen Berg. Wir gehen diesen Weg bei Dunkelheit und folgen unserer Ahnung, oben auf dem Gipfel einen leuchtenden Stern vorzufinden. Dabei kennen wir nicht einmal den Weg und wissen auch nicht, ob wir den Stern jemals erreichen werden. Für Wakasensei steht dieser Stern für seinen Vater. Er lud uns dazu ein, uns ebenfalls die Frage zu stellen, wer für jeden von uns persönlich dieser Stern sein könnte.

Zunächst werden die ersten Trainerinnen und Trainer gerne als solche Sterne gesehen, vor allem wenn sie uns inspirieren immer mehr Aikido erfahren zu wollen. Im Laufe der Zeit wachsen einige selbst zu einem Stern heran und werden zum Schleifstein, indem sie anderen dabei helfen, ihre innere Strahlkraft zum Leuchten zu bringen. Es gibt aber auch diejenigen, die eher im Verborgenen glänzen. Sie sind oft in der Jugendarbeit oder organisatorisch tätig, tragen also wesentlich zu einem gelungenen Miteinander im Dojo bei. Einen hohen Anteil daran haben Frauen.

Auf meinem Weg spielte Steffi eine wichtige Rolle. Sie war mein erster Schleifstein. Oft war sie streng, aber ich spürte auch, dass sie mir etwas zutraute. Mit ihr vor Augen wissen wir alle, was eine starke Aikido-Frau ausmacht.

Mit Jos ist ein Lehrer und Freund viel zu früh gegangen. Er ermutigte mich auf der nächsten Stufe des Weges als Trainerin fortzuschreiten und lehrte mich genug Selbstvertrauen zu entwickeln, so dass ich auch an dieser Aufgabe wachsen kann.

Wenn wir im Aikido zu einer Erkenntnis kommen, dann beruht diese auf der eigenen Erfahrung, weil diese Kampfkunst nicht aus Büchern zu erlernen ist. Einen tieferen Einblick können wir aber nur mit einem guten Meister erlangen.

Wir dürfen uns sehr glücklich schätzen mit Shimizu Sensei noch einem wahren Budomeister an unserer Seite zu wissen, der uns seit so vielen Jahren seine wunderbare Kampfkunst näherbringt. Es ist daher ein großes Geschenk, dass mit Kenta Shimizu weiterhin ein strahlender Stern leuchten wird und das Tendoryu Aikido für uns alle lebendig bleibt.

 
Christiane mit Volker & Steffi

Christiane mit Volker & Steffi

Christiane: Die große kleine Frau aus Großhadern

Denke ich an Aikido und Frauen, denke ich zuallererst an die Frau, die mir bewiesen hat, dass es wirklich stimmt: Man braucht nicht groß und kräftig sein, um Aikido ausüben zu können. Ich rede von einer zierlichen Dame, unserer Steffi. Die meisten kennen sie von früher als bekanntes Gesicht von Großhadern. Steffi war bis vor kurzem aktiv als Trainerin auf der Matte, hat sich jetzt gesundheitsbedingt daraus zurückgezogen. Das darf man dann auch tun, wenn die 80 Jahre überschritten sind.

Präsent ist sie immer noch: So höre ich sie direkt neben mir, quasi direkt in mein Ohr flüsternd, wenn ich mal wieder zu vorschnell oder mit Kraft arbeite: "Mei, Christiane, mach‘s ned unnötig schwierig, mach‘s einfach, setz dein Zentrum ein."

Und vor meinem Auge sehe ich sie dann ganz entspannt Kokio Techniken ausführen, Kerle so groß und schwer wie Baumstämme direkt aus der Luft zu hebeln, als sei es nichts. Oder sie locker über ihre Hüfte zu kicken beim koshi nage - den liebt sie besonders und hat uns getriezt bis es einigermaßen geklappt hat. Naja, richtig zufrieden ist sie eigentlich nie mit uns, das höchste Lob ist nicht kritisiert zu werden. Manchmal schaut sie uns beim Training zu mit ernster Miene, immer mal wieder schüttelt sie den Kopf, dann weiß jeder: oh je, haben wir mal wieder was falsch gemacht.

Sie hat mit ihrem ganzen Wesen gezeigt: Kraft, Größe oder Ausdauer bringen vielleicht kurzfristig eine gewisse Überlegenheit, aber sie sind nichts gegen solide Technik und das Arbeiten aus der Mitte heraus.

Ob Mann oder Frau, klein oder groß, das spielt bei ihr nie eine Rolle, sie nahm jeden an wie er eben daher kam, ganz einfach aus dem Zentrum raus.

Neulich hat uns Volker Marczona besucht, er fand für Steffi folgende Worte:

"Wenn es im Aikido in München Großhadern heute eine Gruppe von starken und engagierten Frauen gibt, so ist das besonders meiner guten Freundin und Weggefährten Steffi zu verdanken.

Als ich Anfang der 80ziger Jahre mit Aikido begonnen habe, gab es in München ein Dojo, in dem sportlich ambitioniert Aikido trainiert wurde. Neben den "jungen Wilden" gab es aber eine Dame, die sich aufgrund ihrer Aikido Technik immer behaupten konnte. Steffi hat im Aikido immer an ihrem Weg festgehalten und ist zu einer Trainerin geworden, die für viele Aikidoka zum Vorbild wurde. Danke, Steffi"

 

Doris: Aikido seit März 1985

Ich habe als 12jährige, mit dem Aikido begonnen. Damals kam ich in eine Gruppe mit lauter Jungs, die mich natürlich häufig ärgerten. Im Laufe der Zeit fingen auch andere Frauen/Mädchen an. Einige blieben einige Zeit, die meisten hörten jedoch nach einigen Jahren wieder auf.

Als Schülerin bzw. auch während meiner Ausbildung war ich an die bayrische Ferienordnung gebunden. Dies bedeutete, dass eine Teilnahme am Wochenlehrgang auf Herzogenhorn für mich unmöglich war. Eine weitere Graduierung fiel damit auch aus. Doch dann wurde von Shimizu Sensei die Erlaubnis erteilt, dass bestimmte Trainer auch bis zum 1. Dan graduieren dürfen. Dies wurde dann im Rahmen einer Prüfung durchgeführt. Es fanden sich hierzu insgesamt 7 Aikidoka -6 Männer und ich wieder als einzige Frau. Wir warfen und griffen uns gegenseitig an, es wurde kein Unterschied gemacht und wir standen insgesamt 3-4 Stunden auf der Matte. Es haben am Ende alle bestanden.

Als ich dann später den Verein wechselte und nach Großhadern ging, übernahm ich dort im Verlauf auch Trainingsstunden. Als Trainerin war ich nun meist jünger als die Anfänger und war noch dazu eine Frau. So manche Männer forderten mich daher besonders heraus, und probierten, ob sie leichter bei mir durchkamen. Doch ich setzte mich mit dem Prinzip des Aikido durch – Kraft alleine reicht nicht – und ihnen die Prinzipien nahebringen.

Ich selbst habe mittlerweile den III.Dan. Vor meiner Erkrankung war ich im Verein als Übungsleiterin sowie als Dojoleitung tätig. Momentan ist mir dies alles nicht möglich und ich musste mich etwas zurückziehen. Es hinterlässt bei mir jedoch ein großes Loch und ich hoffe bald wieder mehr machen zu können.

 
Angela mit Julia

Angela mit Julia

Angela: Entwicklung durch Aikidotraining

Werde ich gefragt, welchen Nutzen ich vom Tendoryu Aikido Training habe, fällt mir vieles ein, aber einen Gesichtspunkt möchte ich hier in den Fokus rücken, der sowohl für Frauen als auch für Männer gilt und sich einigen Menschen manchmal erst erschließt, wenn sie schon seit mehreren Jahren Aikido trainieren.

Beim Training des Aikido sind die Meisten zu Beginn damit beschäftigt Arme und Beine zu sortieren und zum richtigen Zeitpunkt in passender Richtung zu bewegen. Mit etwas Glück führt das zu einem Wurf oder einer Haltetechnik, die dem vom Trainer gezeigten wenigstens ähnelt.

Wir alle sind begeistert von den leichtwirkenden, fließenden und natürlichen Bewegungen des Tendoryu Aikido und bemühen uns diese zu erlernen.

Nach einiger Zeit erleben die Trainierenden Fortschritte: Die Bewegungen werden routinierter, der Schwerpunkt beim Trainieren liegt dann oft nicht mehr nur auf der Bewegung selbst, sondern auch auf der Wahrnehmung des Partners und des Raums.

Trainierende, die nicht nur ins Training kommen und sich bewegen, sondern ihre eigene Entwicklung beobachten, kommen dann wahrscheinlich immer irgendwann an den Punkt, an dem sie feststellen, dass sie die gleichen ‚Fehler’ stetig wiederholen. Selbst, wenn uns ein unerwünschtes Verhalten auffällt, tun wir uns oft schwer, es zu verändern. Unser Verhalten läuft nach bestimmten Mustern, die tief in uns verankert sind und sich oft nur langsam durch stetige Übung verändern lassen.

Die Aussagen der Trainierenden klingen dann beispielsweise so:

  • sobald jemand groß ist oder energievoll auf mich zu kommt,
    .... erstarre ich
    .... ziehe ich mich nach hinten zurück
    .... versuche ich größer zu wirken und verkrampfe deshalb

  • sobald mein Trainingspartner die Führung übernimmt, gebe ich mich zu sehr auf

  • wenn ich angegriffen werde, fällt es mir schwer direkt mit Energie einzutreten

  • wenn jemand Kraft aufwendet, reagiere ich mit Gegenkraft, statt durch Ausweichen den Punkt zu suchen, an dem ich die Führung übernehmen kann

  • Ich schaffe es oft nicht mir den Raum zu verschaffen, den ich benötige

Es fällt mir schwer meinen Trainingspartner zu führen, entweder ziehe ich an ihm herum, dass er nicht folgen mag oder die Führung ist für den Partner gar nicht spürbar

Und das bemerkenswerteste daran ist für mich: Viele Menschen berichten, dass sie sich auch außerhalb des Trainings (z.B in verbalen Konfliktsituationen) ähnlicher Verhaltensmuster bedienen. Das ist manchmal frustrierend, weil man das Gefühl hat, immer wieder an derselben Stelle zu stolpern. Dabei können sich diejenigen, die diese Parallelität erkennen, doch eigentlich glücklich schätzen. Denn dadurch bietet das Training ihnen eine Chance, im Aikido das erwünschte Verhalten zu trainieren und diese Verhaltensänderung dann auch in ihrem Alltag zu integrieren. Bedeutet nicht sogar jeder Fortschritt im Training auch eine Entwicklung unseres Verhaltens im Alltag?

Ich erlebe es jedenfalls immer wieder aufs Neue, wie Aikido mich in der Entwicklung zu mehr Selbstbewusstsein und klarem, effektivem Handeln unterstützt.

Ich habe viele Gespräche mit anderen Frauen geführt, die auch Aikido trainieren, und erfahren, dass es einigen damit ähnlich geht wie mir. Auf dem langen Weg Tendoryu Aikido zu erlernen geschieht es: ganz nebenbei, fast unbemerkt, wird auch der Charakter gestärkt. Und dann fallen immer öfter Sätze, wie: “Mittlerweile fällt es mir schon leichter mich nicht klein zu machen und meinem Gegenüber auf Augenhöhe zu begegnen.“